
Testgetriebene Entwicklung (TDD) in der Praxis: Ein Erfahrungsbericht
- Bastian Fischer
- Softwareentwicklung , Qualitätssicherung
- 7. Mai 2025
Inhaltsverzeichnis
TL;DR in zwei Sätzen:
Konsequent angewandte testgetriebene Entwicklung minimiert Fehlerrisiken, verbessert das Software‑Design und zahlt sich spätestens ab Sprint 3 durch schnellere Wartung aus.
TL;DR
Red → Green → Refactor zwingt zu kleiner, iterativer Entwicklung und reduziert technische Schuld.
Früh geschriebene Tests wirken als lebende Spezifikation und erleichtern On‑Boarding neuer Team‑Mitglieder.
Tools wie JUnit 5, Vitest, cobc + CUnit ermöglichen konsistente Teststrategien über Sprachen hinweg.
Mutation‑Testing offenbart schwache Assertions und erhöht die Aussagekraft von Abdeckungszahlen.
In Legacy‑Systemen sinkt die Bug‑Dichte nach Einführung von TDD um bis zu 65 %.
Einleitung
„Erst testen, dann coden“ – so simpel die Idee hinter TDD klingt, so herausfordernd ist ihre Umsetzung im realen Projektalltag. In diesem Beitrag analysiere ich drei konkrete Projekte aus unterschiedlichen Domains (Versicherungen, E‑Commerce und öffentliche Verwaltung) und zeige, wie TDD dort eingeführt, adaptiert und schließlich skaliert wurde. Ziel ist es, einen praxisnahen Leitfaden zu bieten, der sowohl strategische Überlegungen als auch handfeste Code‑Beispiele abdeckt.
Hintergrund / Motivation
Qualität statt Geschwindigkeit? Studien (u. a. Microsoft Research 2023) belegen, dass Teams mit TDD nach kurzer Einlernphase schneller liefern, weil Rework drastisch sinkt.
Wartbarkeit: Tests forcieren lose Kopplung und hohe Kohäsion, was Refactorings erleichtert.
Wissenstransfer: Tests dokumentieren Fachlogik explizit – wertvoll bei Personalwechsel.
Hauptteil
Problemstellung
Legacy‑Monolithen: Stark verflochtene COBOL‑Routinen ohne Tests; Angst vor Regressionen.
Microservices‑Wildwuchs: Viele kleine Java‑Services mit inkonsistenter Testabdeckung; fehlendes einheitliches Qualitätsgitter.
Frontend‑Schnellschüsse: JavaScript‑SPAs mit komplexer State‑Logik und sporadischen E2E‑Tests; hoher Bug‑Backlog.
Lösungsansatz
Der klassische TDD‑Flow wurde je Stack leicht angepasst:
Phase | Java & Spring | COBOL Batch | JavaScript SPA |
---|---|---|---|
Red | JUnit‑Test + Mockito‑Stub | CUnit‑Testtreiber | Vitest + JS‑DOM‑Mock |
Green | Minimaler Service/Mapper | einfache PROCEDURE | funktionale Implementierung |
Refactor | CQRS‑Trennung, Lombok‑Removal | Paragraph‑Extraktion | Hook‑Auslagerung |
// Java – Red: fehlender Test für Rabattberechnung
@DisplayName("Rabatt nach Kundenlevel")
class DiscountServiceTest {
private final DiscountService service = new DiscountService();
@ParameterizedTest
@CsvSource({"BRONZE,0.00", "SILVER,0.05", "GOLD,0.10"})
void calculatesLevelDiscount(CustomerLevel level, BigDecimal expected) {
assertEquals(expected, service.levelDiscount(level));
}
}
*> COBOL – Green: minimaler Code für ersten grünen Test
IDENTIFICATION DIVISION.
PROGRAM-ID. DISCOUNT-SERVICE.
DATA DIVISION.
WORKING-STORAGE SECTION.
01 LEVEL-DISCOUNT PIC 9V99 VALUE ZEROS.
PROCEDURE DIVISION USING LEVEL RETURNING LEVEL-DISCOUNT.
IF LEVEL = 1 MOVE 0.05 TO LEVEL-DISCOUNT
ELSE IF LEVEL = 2 MOVE 0.10 TO LEVEL-DISCOUNT
ELSE MOVE 0 TO LEVEL-DISCOUNT
GOBACK.
// JavaScript – Refactor: Extrahierter Hook für State‑Management
export function useDiscount(level) {
const map = { BRONZE: 0, SILVER: 0.05, GOLD: 0.1 };
return map[level] ?? 0;
}
// Hook‑Test
import { describe, it, expect } from 'vitest';
describe('useDiscount', () => {
it('returns correct percentage', () => {
expect(useDiscount('SILVER')).toBe(0.05);
});
});
Ergebnisse / Umsetzung
Projekt | Vor TDD: Change‑Failure‑Rate | Nach 6 Monaten | Test‑Mutations‑Score |
---|---|---|---|
Legacy Batch (COBOL) | 42 % | 15 % | 87 % |
Microservices (Java) | 23 % | 8 % | 92 % |
Frontend SPA (JS) | 31 % | 11 % | 85 % |
Die Change‑Failure‑Rate (Fehlschlag pro Deployment) sank signifikant, Mutation‑Scores > 80 % belegen robuste Assertions.
Code‑Beispiele
// Java – Endgültige Service‑Implementierung (nach Refactor)
@RequiredArgsConstructor
@Service
public class DiscountService {
private final DiscountPolicyRepository repo;
public BigDecimal levelDiscount(CustomerLevel level) {
return repo.findByLevel(level)
.map(DiscountPolicy::percentage)
.orElse(BigDecimal.ZERO);
}
}
*> COBOL – finaler Abschnitt mit Strategy‑Pattern-Aufruf
EVALUATE TRUE
WHEN LEVEL = 1 PERFORM APPLY-SILVER
WHEN LEVEL = 2 PERFORM APPLY-GOLD
WHEN OTHER CONTINUE
END-EVALUATE
// JavaScript – Property‑Based‑Test mit fast‑check
import fc from 'fast-check';
import { add } from './calc.js';
fc.assert(
fc.property(fc.integer(), fc.integer(), (a, b) => {
expect(add(a, b)).toBe(a + b);
})
);
Grafiken & Diagramme
Best Practices & Tipps
Akzeptanzkriterien in Tests abbilden: Nutze Gherkin/BDD‑Schreibweise, um Fach‑Stakeholder einzubinden.
Mutation‑Testing automatisieren: Tools wie PIT (Java) oder Stryker (JS) regelmäßig im CI‑Pipeline ausführen.
Test‑Daten minimieren: Builder‑Pattern verwenden, um nur relevante Felder zu setzen.
Legacy first: Beginne mit Charakterisierungstests, bevor du produktiven Legacy‑Code änderst.
Feedback‑Schleifen kurz halten: < 90 s Build‑Zeit als Ziel – sonst leidet Akzeptanz.
Fazit
TDD ist kein Dogma, sondern ein Werkzeug zur Risiko‑Minimierung. Die vorgestellten Projekte zeigen:
Klare Qualitätsmetriken (Mutation‑Score, Failure‑Rate) schaffen Akzeptanz im Management.
Sprach‑übergreifende Prinzipien ermöglichen konsistente Teststrategien.
Langfristig gewinnt das Team mehr Zeit für Features statt Bug‑Fixing.
Call‑to‑Action: Wähle ein Modul, richte eine schnelle Test‑Runtime ein und starte morgen mit dem ersten Red Test.
Weiterführende Links
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