Refactoring großer Legacy-Systeme: Strategien und Fallstricke

Refactoring großer Legacy-Systeme: Strategien und Fallstricke

Inhaltsverzeichnis

Groß angelegte Modernisierungen von Legacy-Code erfordern Planung, Geduld und die richtigen Strategien – dieser Leitfaden zeigt, wie es gelingt.

TL;DR

  • Refactoring schrittweise und risikoarm durchführen.

  • Umfangreiche automatisierte Testabdeckung vor Änderungen sicherstellen.

  • Klare Trennung zwischen technischen Optimierungen und fachlichen Anpassungen einhalten.

  • Modularisierung und Abstraktion strategisch nutzen, um Komplexität zu reduzieren.


Einleitung

Fast jedes Unternehmen steht irgendwann vor der Herausforderung, veraltete Software-Systeme („Legacy-Systeme“) warten und erweitern zu müssen. Typische Vertreter sind geschäftskritische Anwendungen in COBOL oder Java, deren Codebasis über viele Jahre organisch gewachsen ist. Die damit verbundenen technischen Schulden erschweren Wartung, Skalierung und Innovation – doch gut geplantes Refactoring bietet hier enorme Chancen.

In diesem Beitrag lernst du, wie du große Legacy-Anwendungen systematisch modernisieren kannst, ohne bestehende Funktionalitäten oder Stabilität zu gefährden.

Hintergrund / Motivation

Warum ist Refactoring gerade bei Legacy-Systemen essenziell? Technische Altlasten erschweren nicht nur die tägliche Entwicklungsarbeit, sondern führen langfristig zu steigenden Kosten, sinkender Produktivität und erhöhten Risiken. Hinzu kommt, dass gut ausgebildete Fachkräfte für ältere Technologien wie COBOL immer seltener werden. Durch gezieltes Refactoring können Unternehmen ihre kritischen Systeme fit für die Zukunft machen.

Hauptteil

Problemstellung

Typische Herausforderungen beim Refactoring großer Legacy-Systeme sind:

  • Eng verzahnter Code: Schwer verständliche und kaum wartbare Codebasis, oft als „Spaghetti-Code“ bezeichnet.

  • Fehlende Testautomatisierung: Wenig oder keine automatisierten Tests machen Veränderungen risikoreich und aufwendig.

  • Technische und fachliche Abhängigkeiten: Fachliche Logik ist oft eng mit technischen Implementierungen vermischt.

  • Veraltete Technologien: Häufig eingesetzte Legacy-Technologien (z. B. COBOL, alte Java-Versionen) erschweren den Zugang für neue Entwickler.

Lösungsansatz

Um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern, bewähren sich vor allem folgende Strategien:

1. Schrittweises Refactoring (Incremental Refactoring)

Große Änderungen bergen Risiken. Statt einer radikalen Neuentwicklung wird daher das schrittweise Vorgehen empfohlen:

  • Änderungen in kleinen Einheiten umsetzen.

  • Jede kleine Veränderung sofort mit automatisierten Tests absichern.

  • Regelmäßige Reviews durchführen, um Auswirkungen zeitnah zu erkennen.

2. Automatisierte Tests etablieren

Vor jedem Refactoring-Schritt solltest du sicherstellen, dass eine umfassende und zuverlässige Testbasis vorhanden ist:

  • Unit-Tests und Integrations-Tests etablieren.

  • Regressionstests automatisieren und kontinuierlich durchführen (Continuous Integration).

  • Testabdeckung systematisch erhöhen, insbesondere kritische und komplexe Komponenten testen.

3. Modularisierung und Abstraktion

Zerlege die Anwendung gezielt in kleinere Module, um Abhängigkeiten zu reduzieren:

  • Erstelle fachliche und technische Module mit klar definierten Schnittstellen.

  • Identifiziere unabhängige Bereiche, die separat modernisiert werden können.

  • Vermeide monolithische Strukturen und arbeite auf eine klar definierte Systemarchitektur hin.

Praktische Code-Beispiele

COBOL: Modularisierung einer Legacy-Anwendung

Vorher (monolithische Struktur):

IDENTIFICATION DIVISION.
PROGRAM-ID. MONOLITHIC-APP.
PROCEDURE DIVISION.
MAIN-LOGIC.
    PERFORM VALIDATE-DATA.
    PERFORM CALCULATE-RESULT.
    PERFORM SAVE-TO-DB.
    STOP RUN.

Nach Refactoring (modularisiert):

IDENTIFICATION DIVISION.
PROGRAM-ID. REFACTORED-APP.
PROCEDURE DIVISION.
MAIN-LOGIC.
    CALL 'VALIDATION-MODULE'.
    CALL 'CALCULATION-MODULE'.
    CALL 'DATABASE-MODULE'.
    STOP RUN.

Java: Refactoring komplexer Methoden

Vorher:

// Komplexe Methode mit mehreren Verantwortlichkeiten
public void processTransaction(Transaction tx) {
    if(validate(tx)) {
        applyBusinessRules(tx);
        calculateFees(tx);
        persist(tx);
    }
}

Nach Refactoring (klar getrennte Verantwortlichkeiten):

public void processTransaction(Transaction tx) {
    if (!validate(tx)) {
        throw new InvalidTransactionException();
    }
    applyBusinessRules(tx);
    calculateFees(tx);
    persist(tx);
}

// Weitere Modularisierung möglich (eigene Service-Klassen)

Ergebnisse / Umsetzung

Praxisbeispiele zeigen, dass gut geplantes Refactoring messbare Verbesserungen bringt:

  • Deutlich höhere Entwicklerproduktivität.

  • Weniger Produktionsausfälle und Fehler bei Updates.

  • Erleichterung bei Einführung neuer Technologien und Frameworks.

  • Zukunftssichere Architektur und leichteres Onboarding neuer Teammitglieder.

Grafiken & Diagramme

Modularisierung großer Legacy-Systeme

Best Practices & Profi-Tipps

  • Priorisierung kritischer Pfade: Identifiziere und refactore zuerst die Bereiche mit der höchsten technischen Schuld oder dem größten Einfluss auf das Business.

  • Separate technische von fachlichen Änderungen: Technisches Refactoring sollte nicht mit neuen fachlichen Features kombiniert werden – das reduziert Risiken deutlich.

  • Regelmäßige Code-Reviews und Pair-Programming: Nutze diese Praktiken, um Wissenstransfer und Qualität nachhaltig zu sichern.

  • Dokumentation aktualisieren: Halte begleitend zum Refactoring alle Änderungen nachvollziehbar fest, um auch langfristig Klarheit zu schaffen.

Fazit

Refactoring großer Legacy-Systeme ist ein strategischer Prozess, der sorgfältige Planung und konsequente Umsetzung erfordert. Mit schrittweisem Vorgehen, umfassenden automatisierten Tests und kluger Modularisierung kannst du Risiken minimieren und langfristig erhebliche Vorteile erzielen. Die beste Zeit, um mit Refactoring zu starten, ist jetzt – dein zukünftiges Team und dein Unternehmen werden langfristig davon profitieren.


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Kontakt: Bastian Fischer ([email protected])